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23.06.2020

Ausstieg aus dem Aufhebungsvertrag?

Sie möchten sehr bald ein neues Arbeitsverhältnis eingehen, sehen sich hieran aber durch eine vertraglich vereinbarte längere Kündigungsfrist, vielleicht auch durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, gehindert. In diesem Fall bietet es sich an, mit dem derzeitigen Arbeitgeber über die Vertragsbeendigung zu verhandeln. Dies kann in den Abschluss eines Aufhebungsvertrags einmünden, bei dem sich die Parteien über den Zeitpunkt der Trennung wie auch über Zeugnisinhalt, Urlaub, Freistellung und finanzielle Fragen verständigen.

Liegt bereits eine Einstellungszusage des neuen Arbeitgebers vor, so ist dieser Weg im Hinblick auf Leistungen der Arbeitsagentur nicht mit Risiken verbunden.

Etwas anderes gilt, falls die Initiative zur Beendigung vom Arbeitgeber ausgeht. Schließt der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag, so wirkt er an der Beendigung mit und verursacht damit seine Arbeitslosigkeit, falls es ihm nicht gelingt, sofort eine Anschlussbeschäftigung zu finden. Die Arbeitsagentur wird regelmäßig eine 12-wöchige Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe verhängen. Hierdurch mindert sich zugleich die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld um ein Viertel (§ 148 Abs. 1 SGB III). Besteht kein Arbeitslosengeldanspruch, so mindert sich sogar der Anspruch auf Leistungen des Jobcenters (Arbeitslosengeld II). Bei guter Qualifikation, einem Beruf, in dem Arbeitskräftemangel besteht, und hohem Einkommen, mag sich der Arbeitnehmer dennoch für diesen Weg entscheiden, wenn der Betrieb attraktive Leistungen mit der Vertragsaufhebung verbindet. Der Arbeitnehmer, bei dem die Perspektiven nicht so günstig sind, wird sich diesem Risiko nicht aussetzen wollen und nach Ausspruch einer Kündigung durch den Arbeitgeber entweder Kündigungsschutzklage erheben oder die Leistungen in einem ihm angebotenen „Abwicklungsvertrag“ prüfen und hierbei insbesondere auf die Einhaltung der sich aus Vertrag, Tarifvertrag oder Gesetz ergebenden Kündigungsfrist achten.

Welche Möglichkeiten hat der Arbeitnehmer, wenn er unbesonnen und nicht rechtlich beraten doch einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hat, weil ihm der Arbeitgeber in Aussicht gestellt hat, ansonsten verhaltensbedingt, vielleicht sogar fristlos zu kündigen?

  1. Ein am Arbeitsplatz geschlossener Aufhebungsvertrag ist kein Haustürgeschäft, das dem Arbeitnehmer ein Widerrufsrecht eröffnen würde.
  2. Auch wenn der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen, etwa in der Wohnung des Arbeitnehmers, geschlossen wird, kann er nicht deswegen widerrufen werden (vgl. BAG, Urteil vom 07.02.2019).
  3. Ein Widerrufsrecht kann – ausnahmsweise – durch Tarifvertrag eingeräumt sein (so Manteltarifvertrag Einzelhandel Baden-Württemberg, 1 Werktag).
  4. Die Anfechtung der Erklärung wegen Irrtums oder gar wegen Täuschung oder Drohung seitens des Arbeitgebers führt nur selten zum Erfolg, weil der Arbeitnehmer die Umstände hierfür beweisen muss.
  5. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in der Entscheidung vom 07.02.2019 jedoch mit der Frage beschäftigt, ob der Arbeitgeber das „Gebot fairen Verhandelns“missachtet haben könnte und der Vertrag im dort entschiedenen Fall deswegen unwirksam sei. Ein Mitarbeiter des Arbeitgebers hatte die Arbeitnehmerin in ihrer Wohnung aufgesucht und ihr den Aufhebungsvertrag vorgelegt, der die Beendigung am gleichen Tag ohne Abfindung vorsah. Eine Verletzung des Gebots fairen Handelns kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer überrumpelt wird, der Arbeitgeber eine „psychische Drucksituation“ schafft oder ausnutzt oder sich die Überraschung des Arbeitnehmers zunutze macht (ungewöhnliche Zeit oder ungewöhnlicher Ort). Verhandlungen außerhalb des Betriebs oder der üblichen Arbeitszeit begründen jedoch nicht automatisch einen solchen Verstoß. Das BAG konnte über den insoweit nicht aufgeklärten Sachverhalt nicht entscheiden und hat das Verfahren an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Frank Langer

 
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